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Prioritäre Jazzförderung

Yves Theiler – Post-Lockdown Interview

Yves Theiler

© KALI Trio

Ein Wechselspiel aus Komposition und Improvisation, aus musikalischer Struktur und künstlerischer Freiheit – das Yves Theiler Trio verbindet Präzision und spielerische Leichtigkeit zu zeitgenössischem Jazz. Im kontinuierlichen Austausch entwickeln Yves Theiler (Klavier & Komposition), Luca Sisera (Bass) und Lukas Mantel (Schlagzeug) Theilers Kompositionen weiter. Es entsteht Jazz, der mal minimalistisch, mal groovig ist. Und immer geprägt vom Zusammentreffen von Rhythmen und Melodien.

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Was haben Jazz Musiker und Musikerinnnen aus der Schweiz während des Lockdowns gemacht? Und wie geht es für sie weiter? Yves Theiler spricht über finanzielle Fragestellungen im Zusammenhang mit der Pandemie und den Einfluss neuer digitaler Formate auf seine Musik. Pro Helvetia unterstützt Yves Theiler Trio im Rahmen der prioritären Jazzförderung.

«So zeichnete sich diese Krise als Chance ab, indem sie Zeit schafft, Gegebenheiten zu hinterfragen und neu zu ordnen, ganz für sich im Stillen.»

Wie hat sich der Lockdown für dich gestaltet?

Einerseits mit der Absage und/oder Vertagung von dutzenden Konzertengagements und andererseits einer ganz persönlich gezeichneten und willkommenen Ruhe zum Nachdenken. Ein stetiges, ungutes Gefühl der Unsicherheit machte sich jedoch bald spürbar.

Welche Fragen haben dich während des Lockdowns beschäftigt?

Leider bestätigte sich mir in dieser Zeit verstärkt, sei es innerhalb der Musikszene oder auch in anderen vertrauten Lebenswelten, dass zumindest in der Deutschschweiz noch immer wenig Sinn für das Kollektiv existiert. Vereinzelte mühsame Versuche sich zu organisieren, versanden dann doch wieder, manchmal auch in der Kulturszene, ihren Verbänden und Organisationen.

Ein anderes Thema sind die negativen Erfahrung die ich mit einigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gemacht habe, welche beauftragt wurden, die Flut an Eingaben zu behandeln, die bei der Sozialversicherungsanstalt (SVA) und beim  Kanton eingingen. Die Art und Weise in der ich dort behandelt wurde und die Summe Geld, die mir und auch anderen Musikern von der SVA ausbezahlt wurden, sind sonderbar. Für mich deutet das entweder auf eine Überforderung der Mitarbeitenden oder ist ein Beweis dafür, dass die Beträge, die von Kulturschaffenden angefragt wurden, das Erwartete bei weitem übertrafen und es letztlich dann doch an Geld fehlte. Der Tonfall, der mir teilweise entgegen kam, war befremdend. Ich fühlte mich einmal mehr als eine Art hechelnder Bittsteller.

Welche Erfahrungen hast du mit neuen Formaten im Netz gesammelt?

Ich bin der Meinung, dass hiermit in den allermeisten Fällen eine neue Form der ohnehin schon etablierten Gratis-Kultur weiter verstärkt wird. Einen positiven Aspekt sehe ich in der Möglichkeit, Neues zu lernen. Der eine oder die andere hatte sicher wie ich mehr Zeit, sich mit aktueller Technologie in und um die Musik zu befassen und diese als Möglichkeit für Verbesserungen zu nutzen: Zum Beispiel im Unterricht oder um Werbematerial für eine Band zu erstellen oder um neue kreative Formen der Musikverbreitung zu finden. Ich bin aber auf nichts wirklich Neues gestossen. Solange der Musikmarkt im Internet neo-liberal aufgestellt ist und Konzerne mit Systemen wie Spotify den Ton angeben können, interessiert mich der Online-Markt nur als zusätzliches Werbetool für Unternehmungen und Projekte, die in der realen Welt stattfinden. Eine brauchbare Plattform für den direkten Verkauf meiner Musik kann das Netz unter den aktuellen Bedingungen für mich nicht werden.

Wie gehst du mit der Unsicherheit um, die die anhaltenden Einschränkungen für die Musikwelt mit sich bringen?

Ich unterrichte vorübergehend im kommenden Herbstsemester als Lehrer für Klavier Jazz/Pop/Rock, Improvisation und Theorie an einer Musikschule und an einer Kantonsschule, insgesamt fast 100 Prozent Beides sind grossartige berufliche Möglichkeiten in einem sehr professionellen Umfeld. Ich empfinde es als grosses Privileg und Chance, diese Arbeit an diesen Institutionen ausführen zu dürfen. In einer solchen Zeit beschert einem eine solche Anstellung allergrösste Freiheit. Ich kann ohne finanzielle Sorgen künstlerische Entscheide fällen. So zeichnete sich diese Krise in vielen Belangen auch als Chance ab, indem sie Zeit schafft, Gegebenheiten zu hinterfragen und neu zu ordnen, ganz für sich im Stillen.

Was bleibt? Gibt es etwas das du aus dieser Zeit in die Zukunft mitnehmen willst?

Viel Lebenserfahrung, nicht nur gute (leider), aber auch gute. Wie zum Beispiel die Klarheit, dass es für eine grüne Wende mehr braucht als einen Virus; nämlich intelligente Konzepte und die (völlig utopische) Abschaffung der szenenbedingten und undurchsichtigen Interessens- und Karrierepolitik der meisten «Berufs»-Politiker. Das Gute: es bestärkt mich darin, eigene Visionen erst recht nicht aufzugeben.