Andreas Hochuli
Curriculum vitae, 2021
Stoff, Dimensionen variabel
Die Worte LIEBE, BAUCHWEH, GEFÜHLE schweben in Form eines langen, bunten Banners über dem Arbeitsplatz, dem Türrahmen in einem der Gänge oder auf der Wand neben dem Drucker. Die Buchstaben wurden sorgfältig aus ausgewählten Mailänder Textilien von Hand zugeschnitten und mit engen Zickzackstichen auf einen Hintergrundstoff genäht. Insgesamt zwanzig verschiedene Stoffbanner hat Andreas Hochuli für die Büros von Pro Helvetia angefertigt, auf allen sind einzelne Worte oder sinnhafte Wortgefüge zu lesen, mal auf Französisch, Deutsch, Englisch oder Italienisch: RÉFORMES, RÉTROPLANNING oder EUROPE FOLKLORE. Die Schwere der Worte wird von der Leichtigkeit der Stoffe und der nonchalanten Platzierung der Banner kontrastiert. In einem kleinen sozialen Akt wurden die Banner an interessierte Mitarbeitende verteilt und gemeinsam mit ihnen gehängt. Hochuli gefällt, dass Worte bei unterschiedlichen Betrachtenden vielfältige Assoziationsketten auslösen, den einen verärgern und die andere schmunzeln lassen, er bezieht keine Position, sondern überlässt seine Arbeiten unserer Interpretation. Alle Texte sind jedoch entweder Titel seiner Gemälde oder vergangenen Ausstellungen, somit bleiben sie fortwährend mit seinem Œuvre verknüpft. Falls die Worte im Arbeitsalltag nach einer Weile zu präsent werden, je nach Tagesform INTIMATE ENERGIES oder VOTRE AVIS (VIOLENCE) die Nerven zu strapazieren beginnen, dürfen sie mit anderen Bannern ausgetauscht werden.
Andreas Hochuli ist in erster Linie Maler. Auch in seiner Malerei versteht er es, durch die Kombination von Farben, Formen – mal an Werbebilder oder Gemälde der klassischen Moderne erinnernd – und Text, «tranches du monde», wie er es nennt, zu vermitteln. Er verdichtet Momentaufnahmen eigener Beobachtungen oder kleine Wahrheiten auf einem Viereck aus Leinwand und Farbe. Im Zentrum steht nicht die Harmonie der einzelnen Elemente, ihm gefallen etwa irritierende Farbkombinationen, eher will er einen Assoziationsraum öffnen, der vielfältig interpretiert werden kann.
Andreas Hochuli (*1982) lebt und arbeitet derzeit in Genf und war zuvor in Lausanne, Leipzig und Berlin beheimatet. Neben seiner malerischen Praxis bildet er zusammen mit Tristan Lavoyer Teil der Künstlerband L’Acte pur, die 2021 den Swiss Art Award gewonnen hat. Hochuli studierte Bildende Kunst, Kunstgeschichte, Philosophie und Literatur in Lausanne.
Text: Aline Juchler