Tätigkeitsbericht 2002: Mehr und mehr – Kultur!
Publiziert am: 30.06.2003
Im Mittelpunkt der Kulturförderung steht immer die Qualität. Pro Helvetia hat auch im letzten Jahr versucht, mit ihren Mitteln eine anspruchsvolle, sinnstarke und lebendige Kultur zu fördern und zu vermitteln. Im Moment der Rechenschaftslegung aber treten die Zahlen an die Stelle der Projekte und ihrer vielfältigen Inhalte. Und wenn wachsende Zahlen Zeichen für Gesundheit sind, könnte man sagen, es gehe Pro Helvetia besser denn je. Die Zahl bearbeiteter Gesuche hat im vergangenen Jahr eine Rekordhöhe erreicht: 4’568 Anfragen für Unterstützung hat die Schweizer Kulturstiftung im Jahre 2002 geprüft. Das sind 321 mehr als im Jahr 2001. Von den 4`568 Anfragen wurden 2’129 positiv beurteilt, das sind 46 Prozent. Insgesamt hat die Stiftung dafür 21.25 Mio. Franken aufgewendet. Zum Vergleich: Im Jahr 2001 sprach die Kulturstiftung 1942 Gesuchstellern, resp. 45.7 Prozent, Unterstützung zu und verteilte 19.57 Mio. Franken. Die zugesprochenen Beiträge betragen in der Regel nur einen Teil der angefragten Summe. Der grösste Beitrag, 1.5 Mio. Franken, ging an die Expo.02 für eine Reihe von Musik-, Tanz- und Literaturveranstaltungen, der kleinste betrug genau 100 Franken und ermöglichte der Kantonsschule Zürich Enge eine Filmvorführung. 890 Beiträge bewegen sich im mittleren Bereich zwischen 5`000 und 20`000 Franken, nur 34 übersteigen 50`000 Franken.
Der starke Anstieg der Gesuchszahl um 7.5 Prozent hat verschiedene Gründe. Die Anzahl qualifizierter Künstler und Künstlerinnen nimmt zu, entsprechend dem höheren Ausbildungsstandard der Kunstschulen. Die Kulturmanagement-Ausbildung lehrt die Kulturschaffenden überdies, wie man Gesuche effektiv einreicht. Nicht zuletzt steigt, dank der hohen Qualität, die ausländische Nachfrage nach künstlerischen Programmen und Projekten aus der Schweiz.
Die Mittel, die der Bund Pro Helvetia gewährt, bleiben hinter der Zunahme der Gesuche zurück. 1991 hat Pro Helvetia pro positiv beurteiltes Gesuch 17`000 Franken ausgeschüttet, 2002 waren es noch knapp 10’000 Franken.
Detailliert informiert der elektronische Tätigkeitsbericht 2002 (www.pro-helvetia.ch/report02).
Neue Formen der Vertriebsförderung
Das Kunstwerk vollendet sich in der Rezeption. Je umfangreicher die künstlerische Produktion ist, umso bedeutsamer werden entsprechende Vertriebsstrukturen. Mit den Verlags- und den Labelprämien hat Pro Helvetia zwei neue Fördermodelle entwickelt, die der neuen Situation gerecht werden. Die 1999 lancierten Verlagsprämien stärken mit Beiträgen unabhängige Schweizer Buchverlage. 2002 vergaben Pro Helvetia und Migros-Kulturprozent gemeinsam einen Betrag von 360’000 Franken an sieben Verlage aus der Deutschschweiz. Ähnlich sollen die Labelprämien funktionieren, die im letzten Herbst konzipiert und im September 2003 erstmals vergeben werden. Sie beabsichtigen, die Vertriebsstrukturen für zeitgenössischen Schweizer Jazz zu stärken. Auch im Pop will Pro Helvetia den Vertrieb und die Erschliessung neuer Märkte vorantreiben. Mit Swiss Music Export als gemeinsame Plattform von Pro Helvetia, SUISA-Stiftung für Musik, Migros-Kulturprozent und Fondation romande pour la chanson et les musiques actuelles (CMA) ist eine Struktur entstanden, die das Beste der heimischen Pop-Produktion in die ausländischen Vertriebskanäle einspeisen will.
Mit diesen neuen Instrumenten ergänzt Pro Helvetia ein Förderprogramm, das immer schon zu 80 Prozent – nach Möglichkeit als Austausch konzipiert – der Verbreitung von Kultur und Kunst aus der Schweiz gewidmet war.
Thematische Akzente und Eigenregie
Gelegentlich tritt Pro Helvetia auch als Veranstalterin auf – insbesondere, wo es sich um aktuelle gesellschaftliche Fragen mit kulturellem Bezug handelt. «Gallerie 57/34.6 km» heisst ein Projekt zu den Tunnelbaustellen der NEAT am Gotthard und Lötschberg. Zehn Baustellen werden zu Schauplätzen von Kunst und Kulturereignissen. «Gallerie» präsentierte 2002 u.a. «Berginnenwelten», eine Tournee mit Erzählabenden voller Geschichten über Berggeister, Mineure und Tunnelarbeiter, oder «Suoni dal profondo», ein Chortreffen auf der Baustelle von Pollegio/Bodio.
Das Pro Helvetia-Kulturaustausch-Projekt «Bolivien» steht in der Schlussphase. Nach sechs Jahren intensiver kultureller Arbeit geht es jetzt darum, ein Netzwerk aufzubauen, das auch ohne Pro Helvetia funktionieren kann.
Das von Pro Helvetia geführte Projekt «L’autre Méditerranée – du Maghreb au Levant» pflegt Kontakte zu Kulturschaffenden aus der Mittelmeerregion. Im Herbst 2002 hat es einen Höhepunkt erlebt mit dem Festival « JA’SALÂM!» in Bern: Die Darbietungen brachen die Erwartungen des Schweizer Publikums an Kunst und Theater aus dem Orient auf überraschende Art.
Reform und Wechsel der Direktion
Mit 15 Aussenstellen ist Pro Helvetia in ebenso vielen Ländern tätig. Rund 95 Mitarbeitende teilen sich 75 Stellen, bewältigen die zeitintensive Gesuchsarbeit und setzen eigene Projekte um. Diese Kontinuität gewinnt um so mehr Gewicht, als 2002 ein Jahr des Umbruchs in doppelter Hinsicht war. Auf den 1. Januar 2002 trat die Reform von Pro Helvetia in Kraft. Ihren unmittelbarsten Ausdruck fand sie in der Verkleinerung des Stiftungsrates und der Zuweisung von 80 Prozent der Gesuche an die Geschäftsstelle. Am 1. Juli 2002 trat der neue Direktor Pius Knüsel sein Amt an. Und im September schliesslich hat Michel Ritter sein Amt als Direktor des Centre Culturel Suisse in Paris angetreten!
Fast 12 Mio. Franken hat die Stiftung im letzten Jahr für Personal und Infrastruktur aufgewendet. Ein Fünftel davon gilt als eigentliche Verwaltungskosten, die restlichen vier Fünftel decken die mit Gesuchsverwaltung und Projektarbeit verbundenen Produktionskosten. Am 30. Juni 2003 tritt Pro Helvetia in eine neue Ära der Informatik ein: Eine neue Gesuchsverwaltung, Ergebnis vierjähriger Entwicklungsarbeit, wird in Betrieb genommen und soll weitere Vereinfachungen und Zeitgewinne bringen.
Ausblick
2003 wird in verschiedener Hinsicht ein entscheidendes Jahr für Pro Helvetia sein. Im Herbst befindet das Parlament über die bundesrätliche Botschaft, die der Kulturstiftung für die kommenden vier Jahre einen Finanzrahmen von 137 Mio. zubilligt. Angefragt hat Pro Helvetia für 179.5 Mio. Angepasst werden deshalb die Schwerpunkte «Verständigung im Inland», «Interkultureller Dialog» und «Zeitgenössischer Tanz»; verzichtet wird auf die Schwerpunkte «Film» und «Digitale Kunst und Kultur». Erweiterungen laufender Programme, insbesondere ein Ausbau des Aussenstellennetzes, stehen bei Pro Helvetia nicht zur Diskussion.
Entscheidend für die Zukunft der Stiftung ist der Entwurf eines neuen Pro Helvetia-Gesetzes, der anfangs 2004 vorliegen soll. Damit wird die Stiftung die Umrisse ihres künftigen Auftrages wie ihrer künftigen Struktur definieren.