Mit der sich etablierenden Nutzung von Künstlicher Intelligenz werden KI-Tools zunehmend auch in der Übersetzungspraxis eingesetzt. Trotz ihrer Fortschritte bleibt KI in diesem Bereich noch hinter den Fähigkeiten menschlicher Übersetzerinnen und Übersetzern zurück. Dennoch experimentieren Übersetzerinnen und Übersetzer bereits heute aktiv mit KI-Tools und entwickeln kreative Herangehensweisen, um sie effektiv bei ihrer Arbeit einzusetzen.
Eine von Pro Helvetia finanzierte Studie des A*dS, Autorinnen und Autoren der Schweiz, bietet eine Standortbestimmung, welche Institutionen als Ausgangspunkt für die Weiterentwicklung von kulturporlitischen Instrumentarien/Förderinstrumenten dienen kann. Cornelia Mechler, Geschäftsführerin des A*dS, stellt im Folgenden die wichtigsten Ergebnisse der Studie vor.
Welchen Fragen widmet sich die Studie zur KI in der Literarischen Übersetzung und wie wurde vorgegangen?
Das 15. Schweizer Symposium Übersetzer*innen, das der A*dS jährlich durchführt, beschäftigte sich intensiv mit der Automatisierung des Literaturübersetzerberufs. Um das Phänomen in der Schweiz zu erfassen, führte eine Projektgruppe unter der Leitung der Übersetzerin Anita Rochedy eine Umfrage durch. Sie griff auf eine Umfrage des Verbands der Übersetzer*innen (VdÜ) und der Association des traducteurs littéraires de France (ATLF) vom Frühjahr 2023 zurück und passte diese an schweizerische Besonderheiten an an.
Die quantitative Studie befragte in der Schweiz lebende Übersetzerinnen und Übersetzer, die im Buchverlagswesen tätig sind, unabhängig davon, ob sie dem A*dS angehören. Für die qualitative Studie wurde eine Gruppe von fünf Testübersetzerinnen und -übersetzer mit Texten betraut.
Die Studienteilnehmenden hatten die Aufgabe, einen durch KI übersetzten Text zu bearbeiten und dies mit unterschiedlichen Vorgaben (u.a. mit dem Einsatz von DeepL als Wörterbuch).
Könntest du die wichtigsten Ergebnisse zusammenfassen?
Einen durch KI vorübersetzten Text zu bearbeiten, bedeutet im besten Fall keinen Zeitgewinn, im schlechtesten hingegen einen enormen Zeitverlust. Die verschiedenen Experimente bewiesen auch, dass Übersetzen letztlich eine Fähigkeit der Reflexion und der Analyse ist, und dass diese Tätigkeit eine Sensibilität erfordert, über die Maschinen bisher nicht verfügen.
In Zukunft werden Übersetzerinnen und Übersetzer aber sicherlich immer öfter mit neuen Tools konfrontiert sein, und ihre Arbeitsbedingungen werden sich zwangsläufig verändern. Im Zusammenhang mit KI tauchte auch die Frage nach dem Urheberrecht auf. Ein maschinell generierter Text, egal ob von ChatGPT oder DeepL «erschaffen», fällt bisher nicht unter das Urheberrecht. Ausserdem gibt es diese maschinell generierten Übersetzungen nur, weil die Maschine die Arbeit von Übersetzerinnen und Übersetzern ausbeutet, genauer gesagt: weil sie von menschlichen Übersetzungen gefüttert wurde, die eigentlich unter das Urheberrecht fallen sollten. Maschinengenerierte Texte und Übersetzungen verbleiben also in einer rechtlichen Grauzone der «geistigen Schöpfung».
Was können KI-Tools in der Übersetzung leisten und was nicht?
Gemäss den Berichten unserer Teilnehmenden wird die Rohübersetzung dank eines Tools wie DeepL zwar schneller erstellt, dafür sind die folgenden Schritte mühsamer und aufwendiger, sodass man kaum von Zeitersparnis sprechen kann. Jeder Entscheidung geht die Verhandlung mit der Maschine und die Frage nach dem Umfang des notwendigen Eingriffs voran. Die mit dem Post-Editing betraute Person, die nur mit der maschinell generierten Übersetzung ohne Zugang zum Ausgangstext arbeiteten konnte, erklärte paradoxerweise, sie habe sich am wenigsten frei gefühlt, da sie nicht wagte, sich vom Text zu entfernen aus Angst, den Ausgangstext, zu dem sie nur durch den Filter der KI Zugang hatte, vollständig aus den Augen zu verlieren.
Welches Wissen in Bezug auf das Urheberrecht müssen Nutzerinnen und Nutzer, die KI-Tools einsetzen wollen, für die Verwendung von KI-Tools mitbringen?
Grundsätzlich ist zu empfehlen, dass bei jedem KI-Tool, das zur Übersetzung urheberrechtlich geschützter Texte verwendet werden soll, vorab geklärt wird, ob das genutzte System die Möglichkeit bietet, die Speicherung des eingegebenen Texts zum Training der KI zu unterbinden. Zum Beispiel kann man bei DeepL zwischen der Gratisversion DeepL Übersetzer und Bezahlvariante DeepL Pro unterscheiden. Die Gratisversion speichert jegliche Eingabe und verarbeitet sie weiter, genannt wird das dann «Qualitätsverbesserung». Dies kann man nur verhindern, indem man die kostenpflichtige Variante verwendet.
Welche Herausforderung kommt mit den neuen KI-Tools auf die Arbeit von Übersetzerinnen und Übersetzern zu? Wo steht die Übersetzungsszene jetzt und gibt es schon konkrete Forderungen?
Die Entwicklung im Bereich KI ist sehr dynamisch. Aktuell problematisch ist vor allem die Tatsache, dass es viele rechtliche Unklarheiten und unzureichende gesetzliche Regelungen gibt. Literaturübersetzungen gelten (im Gegensatz zu Fachübersetzungen) als künstlerische Tätigkeit, bei dem das Urheberrecht also eine entscheidende Rolle spielt. Anscheinend ist bei den meisten deutschsprachigen Literaturverlagen KI»bzw. deren Einsatz noch kein Thema. Es ist aber damit zu rechnen, dass Post-Editing-Anfragen an Übersetzerinnen und Übersetzer zunehmen. Deshalb ist es enorm wichtig, dass Literaturübersetzerinnen und -übersetzer sich mit der Materie auseinandersetzen: Nur wer sich gut auskennt, kann auch gut argumentieren und gut verhandeln!
Für den A*dS steht fest, dass KI-generierte Übersetzungen im Literaturbereich keine Alternative zu vom Menschen erschaffene Übersetzungen sein können. Es steht viel auf dem Spiel: Durch die Studie wurde schon eine deutliche Sprachverarmung deutlich, des Weiteren droht ein Verlust an emotionalen, empathischen, sarkastischen, ironischen Untertönen, die nur von Menschen erkannt werden können. Die Arbeitsbedingungen von Übersetzerinnen und Übersetzern sind darüber hinaus äusserst prekär und verschärfen sich aufgrund des gedankenlosen Einsatzes von KI sicherlich weiter.
Der A*dS wird die Entwicklungen in der Schweiz, aber vor allem auch in der EU hinsichtlich KI und rechtlicher Regelung genau beobachten. Ausserdem wird er im Herbst 2024 Weiterbildungsangebote für Autoren und Übersetzerinnen im Bereich KI anbieten.