Unter Kunst+ fördern wir die künstlerische Zusammenarbeit zwischen Kunstschaffenden und Expert:innen aus nicht-künstlerischen Bereichen. Darunter sind drei Formate, die spezifisch darauf ausgerichtet sind, die transdisziplinäre Kollaboration im Rahmen einer künstlerischen Produktion zu ermöglichen – vom Austausch, über die Recherche bis zur Kreation.
Die Förderformate Kunst+: Austausch, Kunst+: Recherchebeitrag und Kunst+: Transdisziplinäre kollaborative Kreation decken alle Phasen einer künstlerischen Produktion ab. In ihrer Logik bauen die Formate aufeinander auf, Gesuche können aber auch unabhängig voneinander und nur für einzelne Formate eingegeben werden. Die Formate richten sich an Kunstschaffende aus der Schweiz in allen von Pro Helvetia unterstützten Disziplinen.
Die Unterstützung ermöglicht neue Formen der Zusammenarbeit an der Schnittstelle zwischen Kunst und gesellschaftlichen oder wissenschaftlichen Bereichen, wie beispielsweise Soziologie, Ökologie, Politik oder Anthropologie.
«Der transdisziplinäre Aspekt der Zusammenarbeit liegt darin, dass jede an der Recherche teilnehmende Person ihre eigene Agenda, ihr spezifisches Wissen und ihre individuellen Fragestellungen mitbringt. Anstatt auf eine einheitliche Zielsetzung hin zu arbeiten, entsteht ein offenes Geflecht aus Perspektiven, das sich gegenseitig inspiriert und bereichert. Wenn diese individuellen Interessen im Vorfeld klar benannt werden, schafft das ideale Voraussetzungen für einen befriedigenden und ergebnisoffenen Forschungsprozess, in dem Wissen nicht linear, sondern vielschichtig und dynamisch wächst.» (Johannes Willi, visueller Künstler)
Die nachstehenden Projektbeispiele geben einen Eindruck von den Möglichkeiten der Zusammenarbeit.
Projektbeispiele
«Fragments de glace» (Kunst+: Austausch)
Ed Wige
Literatur + Anthropologie
Wie kann Sprache die Beziehungen zu nicht-menschlichen Wesen ausdrücken? «Fragments de glace» beruht auf einem Austausch zwischen der Autorin Ed Wige und dem Anthropologen Jean Chamel. Das transdisziplinäre Team erforscht mittels Lektüren, Interviews, Beobachtungen und Schreibübungen die Beziehungsnetze zwischen Bergbewohnenden und Gletschern. Der Unterstützungsbeitrag Kunst+: Austausch ermöglicht der Autorin und dem Anthropologen sich regelmässig über künstlerische Zugänge, Prozesse und experimentelle Herangehensweisen auszutauschen.
«Die Unterstützung gab uns Zeit und Raum, um gemeinsam über unsere Beziehung zum Hochgebirge nachzudenken. (…) Ich habe mehr über Jeans Vorgehen beim Sammeln von Erfahrungsberichten erfahren. Dies ist wertvoll, da sich die Literatur mit greifbaren Handlungen und Geschichten befasst. Er hat mir auch ermöglicht, mich in ein Vokabular und Texte zu vertiefen, die mir zunächst zu hermetisch erschienen. Durch unseren Austausch sind seine wissenschaftlichen Artikel für mich zu poetischem Material geworden.» (Ed Wige, Autorin)


«Body Extravagant» (Kunst+: Recherchebeitrag)
Johannes Willi
Visuelle Künste + Bioökonomie + Materialwissenschaften + Mykologie
Das Projekt «Body Extravagant» erforscht die künstlerischen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Potenziale von Pilzen durch transdisziplinären Austausch. Seit 2020 steht der visuelle Künstler Johannes Willi mit den beiden Experten für Naturschaumstoffe und Mycelstrukturen Mosas Pilscheur (mycrobez) sowie Florian Walder (Agroscope) im Austausch. Bereits erste Werkexperimente mit Mycelschaumstoff konnten durchgeführt werden. Der Kunst+: Recherchebeitrag wird im Jahr 2025 das Durchführen einer vertieften Recherche sowie die aktive Zusammenarbeit zwischen dem Künstler und den Experten aus nicht-künstlerischen Bereichen ermöglichen. Dies umfasst unter anderem das Erproben verschiedener künstlerischer Zugänge im Bereich skulpturaler Arbeiten mit Naturschaumstoffen sowie regelmässige Treffen mit Spezialist:innen sowie Besuche bei relevanten Institutionen, um Wissen zu vertiefen.


«Politique en Scène: Zukunft entscheiden.» (Kunst+: Transdisziplinäre kollaborative Kreation, ehemals Kunst+: Produktionsbeitrag)
Proberaum Zukunft
Darstellende Künste + Politik
Proberaum Zukunft inszeniert gesellschaftspolitisch relevante Ereignisse, die sich in der Zukunft abspielen könnten (Pre-Enactments). Für das Projekt «Politique en Scène: Zukunft entscheiden.» spannt Proberaum Zukunft dafür mit dem Think Tank «foraus – Forum Aussenpolitik» zusammen. Gemeinsam wird ein wissenschaftsbasiertes Zukunftsszenario entwickelt. Das Pre-Enactment «Die Jahrtausendflut» feiert am 23. April 2025 im Berner Rathaus Premiere. Viermal soll es im Jahr 2025 mit Politiker:innen, Wissenschaftler:innen und dem Publikum erprobt werden und am Ende in Form von Handlungsanweisungen und politischen Vorstössen Eingang in die Realpolitik finden. Dabei lebt das Projekt von der Überzeugung, dass die Kraft der Kunst, des «Als-ob», neue Denk- und Handlungsräume eröffnen kann.
Im Jahr 2024 hat Proberaum Zukunft einen Kunst+: Produktionsbeitrag (neu: Kunst+: Transdisziplinäre kollaborative Kreation) erhalten, der die Realisierung des Projekts an der Schnittstelle von Kunst und Politik ermöglicht hat.
«Politique en Scène: Zukunft entscheiden.» basiert auf einem produktiven Austausch zwischen Kunstschaffenden und Expert:innen aus nicht-künstlerischen Bereichen und bringt unterschiedliches Wissen und neue Perspektiven zusammen: «Wir denken alle ein wenig anders. Meine Erfahrung zeigt: Wenn wir alle an einem Tisch sitzen, dann ist der Wissenschaftler darauf bedacht, sein Wissen im Rahmen des Fachbereichs präzise zu vermitteln. Die Politikerin hingegen argumentiert aus dem Machbarkeitsgedanken heraus und wir Theaterschaffende suchen nach der guten Geschichte, dem Funken Utopie. Als Theatermacher sehe ich mich in der Rolle, die richtigen Fragen zu stellen, das Wissen und die Perspektiven zu sortieren, und jene Elemente herauszudestillieren, welche die Grundlage für eine zugängliche und packende Inszenierung schaffen.» (Eneas N. Prawdzic, Proberaum Zukunft)



«Unfreezing the Landscape» (2023) und «Tracing Life Across Time» (2024) (Kunst+: Austausch; Kunst+: Recherchebeitrag)
Monica Ursina Jäger
Visuelle Künste + Geobiologie
Seit 2023 arbeiten die Künstlerin Monica Ursina Jäger und die Geobiologin Lena Bakker (ETH) als transdisziplinäres Team. Im Rahmen ihres Projekts untersuchen sie, wie in post-glazialen Landschaften in der Schweiz und in der Arktis neue Lebensgemeinschaften zwischen mineralischen und mikrobischen Körpern entstehen. Mit Blick auf Gesteine, fossile Wälder, Gletscher, Flüsse und Mikroben geht das Projekt der Frage nach, ob Leben und Nicht-Leben voneinander trennbar sind und stellt grundsätzliche Fragen nach der Lebendigkeit des Planeten und dessen Bewohnenden.
Kunst+: Austausch bildete dabei die Basis ihrer Zusammenarbeit und bot den Rahmen für einen transdisziplinären Austausch von Wissen und Methoden aus Kunst und Geobiologie. Jäger und Bakker tauschten sich regelmässig aus, besuchten sich im Labor und Atelier und unternahmen erste Field Trips zu Gletschern in der Schweiz.
«Transdisziplinäre Projekte brauchen sehr viel Zeit und funktionieren dann am besten, wenn sie nicht sofort ein Ziel oder Resultat vor Augen haben. Das Format «Kunst+: Austausch» hat uns erlaubt, ohne Druck aufeinander zuzugehen und uns kennen zu lernen.» (Monica Ursina Jäger, visuelle Künstlerin)
Dieser gemeinsame Austausch war der Ausgangspunkt für die Weiterentwicklung des Projekts im Rahmen einer vertieften Recherche (Kunst+: Recherchebeitrag). Diese umfasste eine Forschungsreise ins arktische Svalbard, Experimente mit fossilem Chlorophyll im Atelier und im ETH-Labor. Dabei ist ein grosses Bild- und Videoarchiv entstanden, das in eine Multimedia-Installation münden soll.



Kunst+
Unter Kunst+ fördern wir die künstlerische Zusammenarbeit zwischen Kunstschaffenden und Expert:innen aus gesellschaftlichen oder wissenschaftlichen Bereichen.
Fördermöglichkeiten für Kunstschaffende aus der Schweiz:
- Austausch (Gesuchseingabe ganzjährig möglich)
- Recherchebeitrag (Gesuchseingabe ganzjährig möglich)
- Transdisziplinäre kollaborative Kreation (nächste Ausschreibung öffnet im Januar 2026)
Fördermöglichkeiten für Institutionen aus der Schweiz:
- Thematische Veranstaltung (Gesuchseingabe ganzjährig möglich)